
18 Aug. Design System Agentur: Das bessere Corporate Design?
Teil 2/2
Lesezeit: ca. 15 Minuten
Was wir im ersten Teil dieses Artikels bereits über die ersten Schritte zu eurem Design System oder Corporate Design gelernt haben.
Im ersten Teil dieses Blogartikels habt ihr gelernt, wie ihr euer ReBranding strategisch plant, die richtige Agentur auswählt und die Anfrage so gestaltet, dass ihr vorab mit einem Designsprint und einer Markenvision starten könnt. Auch die rechtzeitige Einbindung von Stakeholdern aus eurem Unternehmen sollte nicht unterschätzt werden. Falls ihr den Artikel noch nicht gelesen habt, könnt ihr dies nun nachholen: Teil 1/2 „Von der Idee zum Agenturbriefing – so startest du das Projekt „Markenmodernisierung.“
Von der Theorie zur Praxis: Die Umsetzung der Markenvision
In diesem zweiten Teil wird es nun etwas technischer und wir konzentrieren uns mehr auf die Möglichkeiten, wie ihr eure neue Markenvision nun verfestigen, definieren und nutzen könnt. Ein ReBranding ist nämlich der ideale Zeitpunkt ein modernes Konzept zur Nutzung deiner Marke aufzustellen, was dir in Zukunft viel Arbeit abnehmen und so Geld sparen wird!
Teil 2: Corporate Design, Design System und/oder BrandBook – die unterschiedlichen Formen von Markendefinitionen verstehen und nutzbar machen
core. ist ein agentureigenes Designsystem, in dem alles vom Logo bis zu fertigen Digitalsektionen definiert und genutzt werden kann.
1. Grundsätzliches zu den verschiedenen Systemen und Möglichkeiten, eine Marke gestalterisch und konzeptionell abzubilden. Also, wie viele Regeln brauchen moderne Marken?
Die Anforderungen an Marken werden immer komplexer. Was früher noch über klassische Corporate Design Guidelines abgedeckt werden konnte, reicht entweder heutzutage nicht mehr aus oder erschlägt durch Komplexität und Umfang. Deshalb schauen wir uns mit Designsystemen, Styleguides, BrandBooks oder Markenvisionen eigenständige und ergänzende Wege an, um moderne Marken zu definieren und nutzbar zu machen.
Bevor wir uns all diese Möglichkeiten genauer anschauen, wird es am Anfang hier ein wenig philosophisch. Trotzdem ist dieser Teil extrem wichtig, um zu verstehen, mit welchen Systemen man seine Marke definieren sollte. Im Grundsatz geht es um folgende Frage: Wie gut kann ich als Marketing-, Kommunikationsverantwortlicher oder Geschäftsführer meine Marke in unterschiedlichsten Kontexten deuten, führen und verstehen? Natürlich spielt dabei die Unternehmensgröße auch immer eine Rolle. Schauen wir uns aber nun zuerst die Möglichkeiten an:
- Markenvision: Eine Markenvision wird meist mit einem Designsprint erstellt. Eine Markenvision kann, je nach Marke und späteren Anwendungsfeldern, unterschiedlich umfangreich sein. Ich empfehle eine Präsentation mit 30-40 Folien. Was dort gezeigt wird, hängt ebenfalls vom Briefing und Ziel ab. In der Regel sollten allerdings folgende Elemente abgebildet werden: Logomodernisierung, Farbwelt, Schriftbild, Patterns, Bildsprache, Website Preview, Social Media Look & Feel sowie 10-15 branchenspezifische Mock-Ups. Welche Vorteile eine Markenvision sonst noch bietet und mit welchen Kosten ihr kalkulieren könnt, erfahrt ihr im ersten Teil dieses Blogartikels.
- Corporate Design Guidelines: Der Klassiker der Markendefinition. Corporate Design Guidelines werden bis heute genutzt, um Verständnis für eine Marke zu erzeugen und diese intern sowie extern replizierbar zu machen. Keine Ahnung wie viele Wochen an Arbeit schon in die Überführung von CD-Guidelines in die eigenen Programme von Agenturen geflossen ist – es waren definitiv zu viele. Verbleiben wir vorerst so, dass Corporate Design Guidelines die klassischste Variante ist, um Markenregeln zu definieren.
- Styleguides: Styleguides sind für mich die etwas digitalere und deutlich abgespeckte Form eines Corporate Designs. Meist wird hier, wenn überhaupt auf Farben, Schriften und kleine Besonderheiten eingegangen. Auch werden z.B. Farbwerte und Schriftstile definiert, allerdings nicht in vergleichbarem Umfang und meist auch nur für einen bestimmten Nutzungszweck. Meist werden Styleguides von Agenturen als Give-Aways für kleine Kunden eingesetzt, die beispielsweise ein Logo gebucht haben, aber sich kein Design System oder ähnliches nutzen konnten.
- Design System: Design Systeme sind vereinfacht gesagt die praxisnahe Digitalisierung von Corporate Designs. Design Systeme beinhalten vordefinierte Grafikelemente, Stile und Farben, welche aber im Gegensatz zu einem Corporate Design direkt in einer Gestaltungssoftware angewendet werden können. Natürlich bieten auch moderne, digitale Corporate Designs Assets zum Download an, jedoch fehlt dabei die Verknüpfung zu einer Bibliothek. Die Macht von Design Systemen besteht nämlich vorrangig darin, mit Verknüpfungen zu einer Hauptbibliothek zu arbeiten. Deshalb können Design Systeme und alle verknüpften Projekte, vom Flyer bis zur Website, zentral aktualisiert werden. Der Trend geht sogar dahin, Design Systeme mit programmierten Regeln auszustatten, so dass nicht erlaubte Gestaltungsvarianten, softwareseitig verhindert bzw. erschwert werden. Außerdem erlaubt dir ein umfangreiches Design System flexibel neue Medienformate und Plattformen zu erobern: gerade die mobile Welt entwickelt sich immer noch unfassbar schnell, sodass Seh- und Nutzgewohnheiten sich öfter mal ändern – dein schlaues Design System wird dich hier bestens unterstützen.
- Brandbooks: Brandbooks vereinen Markengestaltung, Markenwerte und Geschäftsfelder miteinander. Meist werden Brandbooks zum Ende eines Branding oder ReBranding Prozesses produziert. Mit einem Brandbook begleiten Unternehmen oft die Einführung oder Bekanntmachung ihres neuen Markendesigns und geben diese an Partner und Shareholder aus. Ein Brandbook ist deshalb sicherlich die beste Art, sich als Außenstehender über die Marke zu informieren und diese zu verstehen.
Designsysteme bieten die Möglichkeit, Schriften für unterschiedlichste Anwendungsfälle, wie z.B. Web Desktop, App, Print, Keynote oder Social zu definieren und später anzuwenden.
2. Wann brauche ich also ein Designsystem bzw. eine gute Design System Agentur?
Nun hast du eine Übersicht über die verschiedenen Möglichkeiten, deine Marke zu definieren. Wer es wirklich ernst meint, der kommt allerdings um ein Corporate Design und/oder ein Designsystem nicht herum.
Wie du sicherlich schon gemerkt hast, bin ich nicht unbedingt ein Freund von Corporate Design Guidelines. Lass mich kurz begründen warum. Moderne Marken schaffen ihren Wert durch Kreativität und Flexibilität. Die meisten, zugegeben schon etwas in die Jahre gekommenen Guidelines, arbeiten allerdings mit einem so starren Regelkorsett, dass schon so manch gute Idee aus CI-Bedenken gecancelt wurde. Dabei zeigt uns vor allem das letzte Jahrzehnt, wie gut es Marken tun kann, sich von der ein oder anderen Regel zu befreien. Levi’s und andere Modemarken entwickeln jedes Jahr dutzende Alternativlogos und schaffen es trotzdem, dem Markenkern treu zu bleiben.
Und genau für diese Anwendungsfälle bieten Designsysteme viel variablere Ansätze. Alternativlogo? Wird integriert und der Anwendungsfall kurz kommentiert. Neue Unternehmensfarbe? Zentral geändert und direkt auf alle Projekte übertragen. Ich such ein Icon? Liegt alles im Designsystem. Eine externe Agentur will für uns eine App entwickeln? Kein Problem, ich lade das Designteam zum Designsystem ein.
Die Darstellung von Logos auf verschiedenen Hintergründen kann, ähnlich wie bei einem Corporate Design, auch in Designsystemen definiert werden.
Hier eine Übersicht über alle Vorteile, die dir ein flexibles Design System bieten kann:
- Konsistenz: Logos, Submarken, Bilder, Icons, Farben, Schriften können zentral in einem System abgelegt und jederzeit abgerufen werden.
- Effizienz: Designteams, ob intern oder extern, und egal ob für klassische oder digitale Formate, können ihren Output bzw. ihre Schnelligkeit mit der Nutzung von Designsystemen mindestens verdoppeln.
- Kommunikation: Ein Design System dient als gemeinsame Sprache für Designer, Entwickler und andere Teammitglieder. Es erleichtert die Zusammenarbeit und Kommunikation im gesamten Unternehmen, da alle Beteiligten auf einheitliche Gestaltungsprinzipien zugreifen. Dieser Punkt ist extrem wichtig, auch um ggf. zu entscheiden, ob ein bestehendes Corporate Design nicht durch ein Designsystem ersetzt werden könnte. Durch die Kommentarfunktion von einzelnen Elementen sowie der Möglichkeit, in Zukunft Regeln bzw. Beschränkungen auch softwareseitig zu definieren, können Designsysteme Gestaltungsvorgaben direkt im Gestaltungsprozess positiv beeinflussen.
- Bessere Produktentwicklung: Produktideen können wesentlich schneller gestaltet und auf Managementebene präsentiert werden. Low fidelity Wireframes können direkt als high fidelity Varianten erstellt und getestet werden.
- Zusammenarbeit: Externe Partner können einfach zu dem System eingeladen werden und haben direkt Zugriff auf alle Designressourcen, ohne sich diese erst erstellen zu müssen.
- Prototyping für Entwicklungsabteilungen: Entwicklungsabteilungen ohne Designabteilungen können mit guten Design Systemen einfach Prototypen und ihre Softwarequalität extrem verbessern. Die meisten Programme bieten zudem extra Funktionalitäten für Entwickler.
- Ablage und Wiederverwendbarkeit: Interne Stellen finden aktuelle Dateien, z.B. Logos von Partnern oder Kunden, wesentlich schneller und in markengerechter Aufmachung.
- Updatable: Alle Anpassungen an der Marke, an Bildern, Farben oder Schriften, können direkt ins Designsystem integriert werden.
- Verfügbarkeit: Da die meisten Programme für Design Systeme cloudbasiert sind, kann von überall webbasiert auf die Systeme zugegriffen werden.
- Skalierbarkeit: Design Systeme sind besonders nützlich für Unternehmen mit umfangreichen Anwendungen und Produkten. Das System kann leicht erweitert werden, um neue Produkte oder Funktionen einzubinden, ohne dass die Gestaltung von Grund auf neu erstellt werden muss.
- Zukunftssicherheit: Design Systeme sind darauf ausgelegt, langfristig zu funktionieren und mit der Entwicklung des Unternehmens mitzuwachsen. Wenn sich die Marke oder die Produkte im Laufe der Zeit weiterentwickeln, kann das Design System entsprechend aktualisiert werden, um die Veränderungen widerzuspiegeln.
Insgesamt bieten Design Systeme eine strukturierte und umfassende Methode, um das Corporate Design zu steuern und sicherzustellen, dass alle Designdetails miteinander harmonieren. Sie fördern die Effizienz, Konsistenz und Zusammenarbeit im Designprozess und tragen dazu bei, dass die Marke sowohl intern als auch extern eine starke und einheitliche Präsenz hat.
Ergo: Die Qualität sämtlichen markenrelevanten Outputs wird sich durch die Nutzung eines Designsystems deutlich verbessern.
Farben und Farbhierarchien können verknüpft, definiert und bei Bedarf einfach über mehrere Projekte hinweg geupdated werden.
Wo Licht ist, ist auch Schatten. Natürlich hat auch ein Design System Schwachstellen, die ich euch nicht vorenthalten möchte.
- Komplexität der Implementierung: Die Einführung und Implementierung eines Designsystems erfordert Zeit und Ressourcen. Es kann komplex sein, alle Designelemente und -richtlinien zu definieren, zu dokumentieren und in den verschiedenen Anwendungen und Projekten des Unternehmens zu integrieren.
- Aktualisierungsbedarf: Ein Designsystem muss regelmäßig aktualisiert und gepflegt werden, um mit den sich ändernden Bedürfnissen des Unternehmens und den Entwicklungen im Designumfeld Schritt zu halten. Dies erfordert eine fortlaufende Überwachung und Pflege, um sicherzustellen, dass das System aktuell bleibt.
- Lernkurve und Akzeptanz: Die Einführung eines neuen Designsystems erfordert, dass alle beteiligten Mitarbeiter und Teams sich damit vertraut machen und es akzeptieren. Die Anpassung an neue Richtlinien und Prozesse kann Zeit in Anspruch nehmen, und einige Teammitglieder könnten möglicherweise Widerstand leisten.
Die Implementierung neuer Systeme ist immer mit Schwierigkeiten verbunden. So könnten wir wahrscheinlich alle Nachteile von Design Systemen in ähnlicher Form auch bei der Einführung neuer Markenregeln in Form eines Corporate Designs finden. Jedoch bietet dieses nahezu keine der oben genannten Vorteile.
Während des Design- oder Konzeptionsprozesses direkt Zugriff auf alle markenrelevanten Gestaltungsobjekte zu haben, ist einer der vielen Vorteile von Designsystemen.
3. Wann brauche ich ein klassisches Corporate Design und weniger ein Design System?
Das klassische Corporate Design Handbuch wird nicht sterben – soviel vorab. Vor allem kleinere Marken, ggf. ohne eigene Marketing- und Kommunikationsabteilung sind darauf angewiesen, dass ihre Markendarstellung nach aussen festen Regeln folgt. Die kostengünstigste Variante sind hier nunmal Lösungen zwischen Styleguide und CD-Handbuch.
Dieses Kapitel können wir gerne kurz halten, denn eigentlich wurde in der Überschrift schon alles gesagt. Ich bin der Meinung, dass Corporate Design Handbücher mittelfristig komplett in Designsystemen integriert sein werden. Der einzige Grund, sich heutzutage noch ein klassisches Corporate Design Manual erstellen zu lassen, ist, dass ggf. Designsysteme heutzutage noch nicht die entsprechende Verbreitung, selbst in der Agenturszene, gefunden haben. Und, wie schon genannt der sicherlich günstigere Preis.
Eingebettete CD-Handbücher in Designsystemen sind online jederzeit verfügbar und immer aktuell.
4. Fazit: Das Corporate Designsystem.
Ich bin mir sicher, dass Corporate Design Guidelines und Designsysteme in naher Zukunft immer weiter verschmelzen werden. Auch wir generieren unsere Corporate Design Handbücher schon jetzt auf Basis von kundenspezifischen Designsystemen und geben diese, nur noch in Ausnahmefällen im PDF Format, geschweige denn gedruckt, an Kunden weiter.
Die Möglichkeit, innerhalb von Design Systemen und Programmen, wie z.B. Figma, Regeln für die Verwendung von einzelnen Komponenten und Gestaltungselementen zu definieren, nimmt immer weiter zu. Auch wenn es sich vielleicht – oder eher leider noch nicht – in der kompletten deutschen Agenturszene herumgesprochen hat, wird die Kreations- und Konzeptionsarbeit immer stärker in Programme wie Figma verlagert werden. Die Möglichkeiten, kooperativ und unkompliziert mit verschiedensten Stakeholdern an digitalen und druckbaren Projekten zu arbeiten, wird in Zukunft spürbar zunehmen.
Und wer einmal, egal ob auf Agentur- oder Unternehmensseite, mit einem guten Designsystem gearbeitet hat, der wird nicht mehr zurück wollen in die Welt der gedruckten Regeln und Beschränkungen.
Ich hoffe, dir hat mein Artikel gefallen. Dir viel Erfolg in deinem nächsten Projekt. Bei Fragen und Anmerkungen schreiben mir gerne an tim@vielfalter.digital. Wenn du ferner Interesse daran haben solltest, deine Marke zu optimieren oder ein Design System benötigst, melde dich gerne bei mir.
Ansonsten freue ich mich auf Meinungen und Feedback zu diesem Artikel und diesem Blog. Ich bin Tim und du erreichst mich unter tach@vielfalter.digital oder telefonisch unter der +49 2041 4069040.